Die Anzughose für Schwimmbad – Interviewreihe Die Letten von morgen. Teil 1
Das Gespräch mit einem Designer für Männerwäsche.
von Helmuts Salnajs
Toms Vītoliņš besucht mich in der Botschaft an einem sonnigen Augusttag.
Er ist 22 Jahre alt, sehr schmal und freundlich. Außerdem Designer und gerade dabei ein Luxuslabel für Männerwäsche zu etablieren. Ein charismatischer, kosmopolitischer Lette der jungen Generation, der die Marketingregeln von Morgen entwirft. Wir sprachen über Brands, über Lettland und das moderne Marketing.
Helmuts: Danke, Toms, daß Du, trotz Deines vollen Terminsplans, zu uns in die Botschaft gekommen bist!
Toms: Das mache ich sehr gern. Ich freue mich auf jede Begegnung und Unterstüztung!
Helmuts: Erzähle mehr über Dein Werdegang und Dein Label.
Toms: In der Modewelt bin ich ein absoluter Quereinsteiger. Seit ich 15 bin, arbeite ich mit graphischem Design. Meinem Vater gehörte früher eine Druckerei für Verpackung, so bin ich früh in die Welt des Marketings und der Graphik hineingerutscht. Ich habe viel gelernt, hatte einen starken Mentor, der meine Ästhetik und Verständnis für die schönen und praktischen Sachen mitentwickelt hat. Ich bin ein Verfechter des puristischen Designs. Kein Schnickschnack. Die Produkte müssen klar und logisch sein. Und perfekt. Der Drang nach Perfektion hat mich dazu veranlasst, mich mit dem Bereich Herrenwäsche zu beschäftigen.
Helmuts: Eine Unterhose ist doch ein praktisches Teil. Sie ist quasi schon perfekt. Und warum eigentlich Unterhose?
Toms: Ich muß Dich ein wenig korrigieren. In meinem Produktportfolio gibt es nicht nur Unterhosen. Eigentlich sind die Badeshorts die Bestseller in meinem Angebot.
Helmuts: OK. Warum Unterhosen und Badeshorts?
Toms: Vor einigen Jahren war ich auf einer Reise in Japan. Ich laufe durch Tokio und komme an einem Geschäft vorbei, wo es nur Männersachen gibt. Acht Stockwerke, nur Männermode. Ich gehe rein und gehe ausführlich durch den Laden. Ich finde teure Hemden, Anzüge für mehrere Tausend Euro, aber die beste Unterhose, die ich dort kaufen kann, ist eine von Calvin Klein für 30 Euro. Das hat mich auf die Idee gebracht, dass es in dem hochpreisigen Unterwäschebereich noch eine gewisse Marktlücke besteht. Dann habe ich angefangen mich mit dem Thema zu befassen. Ich habe viele Stunden im Internet verbracht und alle möglichen Hersteller studiert. Ich habe Bücher über die Konstruktion der Unterwäsche gelesen, ich habe Stoffmessen in Italien und Frankreich besucht. Bis ich irgendwann eine klare Vorstellung hatte, wie eine perfekte Unterhose aussehen muss.
Helmuts: Und wie soll eine perfekte Unterhose aussehen?
Toms: Am besten kaufst Du eine von mir!
Helmuts: Bei allem Respekt – aber die Unterehose kostet 55 Euro, und Badeshorts 150 Euro!
Toms: Ja, ich kenne die Preise. Eine perfekte Unterhose ist komplizierter als man denkt. Die Naht muss ideal sein, die Kanten des Labels dürfen nicht zwicken und kratzen, die Länge muss stimmen und, und, und. Und da sind noch die Boxeshorts. Meine Boxershorts sind aus einem sehr dünnen Stoff, damit sie auch in engen Hosen gut sitzen.
Helmuts: Und was ist mit Badeshorts?
Toms: Meine Vision war, dass Badeshorts quasi wie Anzughosen sein müssen, aber zum Baden geeignet. Man kann nach dem Baden ein passendes Hemd dazu kombinieren und gleich zu einer Party gehen. Daher sehen die Badeshorts auch wie eine normale Hose aus. Nur kurz. Ich denke, dass Badeshsorts nicht unbedingt geschmacklos bunt sein müssen. Das ist eben meine Ästhetik.
Helmuts: Und wird Deine Ästhetik auch von anderen geteilt?
Toms: Eindeutig ja! Und ich bin begeistert, dass meine langen Studien nicht umsonst waren. Inzwischen bekommt man die Produkte von Tom Àdam (www.tomadam.fr) in New York, London, Tokio, Amsterdam, Paris und demnächst auch in Berlin.
Helmuts: Deshalb bist Du hier?
Toms: Ja, deshalb bin ich hier. Ich bin in Berlin seit drei Monaten und werde hier auch überwintern.
Helmuts: Wie sieht Dein Arbeitstag aus?
Toms: Sehr beschäftigt. Ich finde es wichtig, dass ich selber die Geschäfte besuche und meine Produkte vorstelle. Ich habe bereits viele Modegeschäfte in Berlin besucht und werde noch viele weitere besuchen. Auch in Hamburg. Ich habe viele Gespräche geführt und Neues gelernt. Zum Beispiel, dass nicht alle europäischen Männer gleich gebaut sind. Auch das Verständnis für Kleidergrößen ist in verschiedenen Ländern sehr unterschiedlich. Und, natürlich, arbeite ich weiter an neuen Modellen und neuen Kollektionen. Mode ist ein schnelllebiges Geschäft.
Helmuts: Warum steht auf dem Label Designed by Tom in Paris?
Toms: Weil ich in Paris gelebt habe, als ich den größten Teil der Kollektion entwickelt habe.
Helmuts: Wird es dann bei der nächsten Kollektion Berlin auf dem Schild stehen?
Toms: Kann gut sein. Ich bin ein typischer digitaler Nomade. Ich lerne die Welt kennen, kann von meinem Geschäft leben und, vor allem, in einem coworking space in Berlin, London oder Riga arbeiten.
Helmuts: Ich habe aber gelernt, dass Aufbau eines Brands eine bodenständige Tätigkeit ist. Die Glaubwürdigkeit muss langsam aufgebaut werden, die Bindung an eine Marke entwickelt werden.
Toms: Du hast recht, allerdings leben wir in einem digitalen Zeitalter. Ich kommunzierte nicht über Printmedien oder klassische Medien. Zur meiner Kommunikation gehört Instagram, youtube, facebook. Demnächst kommt sicherlich noch ein neues soziales Medium hinzu. Diese Kanäle sind sehr wirksam. Und auch die Glaubwürdigkeit. Digitale Medien sind nicht eine Modeerscheinung. Es ist das status quo von heute. Ehrlich gesagt – ich kenne gar nicht ein Leben ohne Internet. Und mit großer Sicherheit wird es in der Zukunft auch ein Leben ohne Internet nicht mehr geben. Meiner Meinung nach haben viele klassische Unternehmen das noch nicht richtig realisiert. Ich bin ja selber auch Fotomodel für meine Wäsche.
Helmuts: So sparst Du unnötige Ausgaben.
Toms: Ja, genau! Sowohl ich, als auch mein Vater und mein Hund. Alle wurden für die Fotosession eingespannt. Mit den Imagefotos wollte ich sagen, dass die Produkte generationsübergreifend sind.
Helmuts: Wieso eigentlich findet man den Namen Deines Labels nicht auf dem Gummiband der Unterhosen? Und warum Tom Adam?
Toms: Ich finde es blöd den Namen eines anderen Mannes auf meiner Unterhose zu tragen. Ich glaube Understatement passt besser zu meinen Produkten. Schließlich will ich, dass die Kunden meine Produkte kaufen, weil sie einfach gut sind und nicht irgendwelche Botschaften tragen. Warum Tom Adam? Weil das meine beiden Vornamen sind. Ich glaube, sie passen gut zu einem Modelabel.
Helmuts: Ich wünsche Dir viel Erfolg in der harten Welt der feinen Mode!